Agro-Gentechnik in den USA: Fluch oder Segen?

Donnerstag, 5. Januar 2011

Veranstaltung mit zwei Gentechnikkritikern aus Amerika – Hier der Bericht…

Über die Folgen der Gentechnik für die Landwirtschaft
in den
USA berichteten Troy Roush und Bill Freese
am 27. Januar 2011  in Großenlüder-Bimbach
.

Anschließend diskutierten mit dem Publikum:
Oswald Henkel, Landmarkt- Hessische Direktvermarkter
Peter Hamel, Mitbegründer der „Zivilcourage Vogelsberg“
Annemarie Volling, Koordination der Gentechnikfreien Regionen in Deutschland,
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) e.V.
und Dr. Hubert Beier vom Verein Natur- und Lebensraum Rhön (VNLR),

Kreisbauernverband Fulda-Hünfeld

Troy Roush und Bill Freese beantworten Fragen des Publikums und der Presse

Gentechnikfolgen:
Horseweed und Pigweed bedrohen die USA

(Rhön/Vogelsberg) „Rate mal wo wir sind. Eine Frage fürs Hessenquiz- Ein überschaubarer Ort in der Nähe von Fulda: Bambach, Bembach, Bimbach oder Bumbach? Nun, es ist Bimbach, ein Ortsteil von Großenlüder“ so die Übersetzerin kurz vor der Veranstaltung am Donnerstagabend in einem Telefongespräch mit ihrem zu Hause. Man könnte mutmaßen, hier treffen sich heimlich ein paar Verschwörungstheoretiker weit draußen in der Abgeschiedenheit. Doch weit gefehlt, die gentechnikfreie Anbau-Region Landkreis Fulda, Zivilcourage Vogelsberg und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) mit ihrer Initiative der gentechnikfreien Regionen in Deutschland  haben nach Bimbach eingeladen und rund 220 Menschen aus allen Altersklassen und Schichten sind dieser Aufforderung gefolgt, um den beiden amerikanischen Gästen zuzuhören, die über Fluch und Segen der Agrogentechnik in den USA berichteten.

Und es wurde ein spannender, nachdenklicher, im Grundtenor durchaus positiver Abend ohne Langeweile. So wurde Bimbach für einige Stunden zum Zentrum der bundesweiten Bewegung für gentechnikfreie Regionen.

Zunächst eröffnete Oswald Henkel im Namen der AbL und der Mitveranstalter den Informations-Abend, begrüßte die Gäste, die Zuhörer und dankte allen Unterstützern dieser Veranstaltung. Dr Hubert Beier (gentechnikfreie Anbau Region Fulda) stellte die aktuellsten Zahlen vor. Nunmehr seien über 54% der landwirtschaftlichen Nutzfläche vertraglich gentechnikfrei. Über 48 % der Landwirte aus dem Kreis Fulda hätten Unterschrieben, in den nächsten Jahren keine gentechnisch veränderten Pflanzen auf ihren Feldern auszusäen. Dr Peter Hamel (Zivilcourage Vogelsberg) berichtete, dass im Vogelsberg über 13000 ha per Vertrag gentechnikfrei bleiben und zudem die Landwirte auch keine gentechnisch veränderten Futtermittel an ihre Tiere geben. Gerade vor dem Hintergrund des aktuellen Lebensmittelskandals sei das eine sehr wichtige Absicherung für Verbraucher und Landwirte der Region. Denn immer mehr wissenschaftliche Studien aus Europa belegen, dass Bruchstücke von gentechnisch veränderten Pflanzen in Tieren und den daraus gewonnen Lebensmittel nachzuweisen  sind. Das stünde in deutlichen Widerspruch zu den Versprechungen der Gentechnikindustrie, dass nichts in Lebensmittel zu finden sei, wenn die Tiere vorher gentechnisch verändertes Futter gefressen hätten. Hamel setze sich vehement dafür ein, dass diese gesetzliche Kennzeichnungslücke bei Fleisch, Milch und Eiern geschlossen werde. Er rief die Bauern auf gentechnikfrei zu füttern, und die Verbraucher motivierte er Milch, Fleisch und Eier mit der Kennzeichnung „ohne Gentechnik“ zu verlangen. Annemarie Volling von den gentechnikfreien Anbauregionen Deutschlands zeigte auf, dass immer mehr gentechnikfreie Regionen in Deutschland entstehen. Schließlich verlangen über 70% der Verbraucher gentechnikfreie Lebensmittel, so Volling. Ganz erfreut berichtete sie, dass jetzt auch zwei Länderparlamente ihre Bundesländer per Landtagsbeschluß zur gentechnikfreien Region ernannt haben, nämlich Thüringen und ganz aktuell Nordrhein Westfahlen.

Dann wurde die Berichterstattung international. Troy Roush, amerikanischer Soja und Weizenfarmer berichtete von seinen Erfahrungen mit der Agrogentechnik. Vor rund zehn Jahren habe er Besuch von zwei Herren bekommen, die seine Felder inspizierten. Nachdem die Felder abgeerntet waren, wurde er angezeigt. Er habe verbotener Weise und illegal Monsantos Roundup-ready-Sojabohnen angebaut. Die seien patentiert und dürften ohne Lizenzvertrag nicht angebaut werden. Doch er habe bis dahin nie diese gentechnisch veränderte Sojabohne angebaut.  Nach einem zweijährigen Gerichtstreit einigten sich die Parteien schließlich außergerichtlich. Troy Roush musste rund 400.000 US Dollar zahlen. Er selbst habe keine Hompage aber Monsanto habe unter seinem Namen eine mit seinem Fall eingerichtet. Mit solch dubiosen Tricks haben Monsantos Detektive fast alle US-Farmer eingeschüchtert. Der Segen für Monsanto –  heute werden in den USA rund 90 % gentechnisch veränderte Sojabohnen von diesem Chemie-Konzern angebaut. Die Konsequenzen für die Landwirte seien hart, denn es würde kaum noch Saatgut angeboten was nicht gentechnisch verändert sei. Und die immer abzuschließenden Lizenzverträge erlauben dem Landwirt lediglich die gesamte Ernte zu verkaufen und keinerlei andere Nutzung zuzulassen. Es ist wie ein Geschäft, vergleichbar mit einem Leasing-Auto. Der Landwirt wäre nie Eigentümer seiner Pflanzen und Ernte. Zudem würden heute in der Pflanzenzüchtung in den USA sofort alle Sorten mit züchterischem Fortschritt gentechnisch manipuliert, um immer das Sagen darüber zu behalten. Am schlimmsten bei dieser Entwicklung wäre der Konzern Bayer. Für die gentechnikfreien Sorten gäbe keinen züchterischen Fortschritt mehr. So müsse er notgedrungen gentechnisch manipulierte Sojabohnen anbauen. Um aber höhere Wertschöpfung zu erreichen, setze er zunehmend auf Bio-Soja-Bohnen.

Doch diese Knebelung durch die Industrie und das Arbeiten mit nur einem Pflanzenschutzmittel habe dazu geführt, dass heute immer mehr Flächen mit Roundup-resistenten Unkräutern überwuchert würden. Das habe zur Folge, dass diese Pflanzen mühsam von Hand ausgerissen werden müssen. Die Gentechnik-Konzerne suchen fieberhaft nach anderen Toleranzen für Herbizide. Insbesondere setze die Industrie auf Dicamba, ein hochtoxisches Herbizid mit tückischen Eigenschaften. So gehe das Mittel nach der Anwendung gleich in die Gasform über und bilde eine Schweb-Wolke die sich über viele Kilometer fortbewegen kann. In den kühleren Abendstunden senkt sich die Wolke dann auf andere Felder ab und verursache dort Totalschäden. So setzte sich auch eine solche Gaswolke von einem Nachbarn auf seine Tomatenfelder und habe dort einen „kleinen“ Schaden von 30.000 US Dollar verursacht. Roush sagte abschließend, die Natur ist schneller als die Wissenschaftler der Konzerne und wirkte dabei sehr nachdenklich.

Aus dem Zentrum für Lebensmittelsicherheit in Washingten DC berichtete der Wissenschftler Bill Freese. In den USA gebe es keinerlei unabhängige Forschung zu gentechnisch veränderten Organismen. Es gebe keinerlei Sicherheits- oder Risikoforschung. Alles läge in der Hand der Konzerne, die aber keinerlei Verantwortung für Schäden von gentechnisch veränderten Organismen übernehmen würden. Die einzige Zielsetzung sei schneller Profit um die Aktionäre zu befriedigen. Der erste große Fluch für die Farmer sie die enorme Ausbreitung von Horseweed und Pigweed, zwei von inzwischen 12 in den USA gefundenen, gegen das Totalherbizid Roundup resistente Unkräuter. Weltweit sind bereits 21 solcher Unkräuter bekannt. Im letzten Jahr sei die mit solchen Unkräutern belastete Fläche in den USA auf über 10 Millionen acre (rund 4 Millionen Hektar) angewachsen. Diese Unkräuter schaden der angebauten Kultur, dem Boden und den Erntemaschinen. In der Regel sind diese Pflanzen nur noch von Hand auszureissen. In Illinois wurden schon Tausende von Hektar aufgegeben. Bis zum Jahr 2013 rechneten Fachleute mit einem weiteren enormen Anwachsen dieser Flächen auf rund 30 Millionen acre (weit über 10 Millionen Hektar- das entspricht etwa der landwirtschaftlichen Nutzfläche von Deutschland). Experten in den USA sehen dies als eine der größten Bedrohungen der letzten Jahrzehnte an.

Für die Genmanipulation bei Pflanzen sollten eigentlich zwei Eigenschaften sprechen: sie sollen resistent gegen Unkraut und Insekten sein. Anhand von verschiedenen Beispielen zeigte Freese auf, dass die manipulierten Pflanzen geringere Erträge und Probleme durch Verunreinigungen brächten. Zudem sei das genmanipulierte Saatgut teurer als konventionelles, das es aber kaum noch zu kaufen gebe.

Weiter ging er auf den weltgrößten Gentechnik Konzern ein.  Monsanto beschäftige eine ganze Abteilung, die US-Farmer mit übelsten Methoden bespitzle und verklage, wenn sie eigenes Saatgut verwendeten. Durch Patentrechte bringe man die Landwirte dazu, kein eigenes Erntegut als Saatgut nachzubauen, weil das eine Prozesslawine auslösen würde. Der Saaten-Nachbau sei aber ein traditionelles Recht des Bauern, so Freese. Nur im geringen Maß gebe es Saatenzuchten von öffentlichen Stellen und Universitäten.

Im Vergleich zu herkömmlichem Saatgut sei gentechnisch verändertes um 50% bis 60% teurer und die Erträge seien im 10-Jahresvergleich bei GV Pflanzen um über 5% niedriger.

In der anschließenden Diskussion verlangten die Zuhörer, dass unser Saatgut absolut sauber von Gentechnik bleiben muss. Die Prozesserfahrung von Troy Roush habe gezeigt, dass das Patentrecht schon bei einer einzigen gentechnisch veränderten Pflanze zur Lizenzforderung  bemächtige. Von daher seien Schwellenwerte bei uns in Deutschland von vorherein abzulehnen.

Ebenso einig waren sich Zuhörer und Podium hinsichtlich der Kennzeichnung von Fleisch, Milch und Eiern. Hier müsse es eine Wahlfreiheit geben. Hier empfahl ein Zuhörer, bewußt nur Produkte zu kaufen ohne Gentechnik, die würden hier in der Region erzeugt und vermarktet. Dies seien Bioprodukte, faire Milch oder auch Fleisch aus dem Landprimus Programm der Firma tegut.