Gesetzlose Gentechnik?

Die Agro-Gentechnik macht Bio-Herstellern das Leben schon jetzt schwer. Und es könnte noch härter kommen.

Aus „Schrot und Korn“ – 04. 03. 2022 von Leo Frühschütz

Testen, testen, testen. Damit konnte sich die Bio-Branche bisher gut vor gentechnisch veränderten Pflanzen schützen. Doch diese Strategie könnte schon bald nicht mehr funktionieren …

Warum Bio auf Gentechnik verzichtet

Als vor gut 25 Jahren die ersten gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen auf den Markt kamen, musste die Bio-Branche aufwendige Sicherungssysteme aufbauen. Nur so konnte sie verhindern, dass gv-Sojabohnen, gv-Mais oder andere gv-Pflanzen ihre Produkte verunreinigten. Bio-Landwirte und Verarbeiter verzichten komplett auf gentechnisch veränderte Zutaten. Denn der menschliche Eingriff in das Erbgut von Lebewesen widerspricht den Prinzipien des Öko-Landbaus und kann Risiken bergen.

Das Testen von Futtermitteln, Honig & Co. kostet viel Geld, macht die Produkte teurer und schafft doch keine hundertprozentige Sicherheit. Gelegentlich finden sich in Bio-Lebensmitteln Spuren von Verunreinigungen. Bis 0,1 Prozent werden sie auch in der Bio-Branche toleriert.

So ist Gentechnik in der EU geregelt

Die Gentechnik-Verordnungen der EU erlauben gentechnisch veränderte Lebensmittel, verlangen aber ein Zulassungsverfahren. Dieses gilt weltweit als streng, auch wenn es Kritikern nicht strikt genug ist. Für jeden zugelassenen gentechnisch veränderten Organismus (GVO) muss dessen Hersteller Referenzmaterial liefern, damit Überwachungslabore Nachweisverfahren entwickeln können. Zudem müssen GVO und damit hergestellte Produkte gekennzeichnet werden, damit Konsumenten, Landwirte und Hersteller zwischen Produkten mit und ohne Gentechnik wählen können.

So sind die neuen Gentechniken geregelt

Diese Verordnungen gelten auch für neue gentechnische Verfahren wie Crispr/Cas. Das hat der Europäische Gerichtshof 2018 entschieden. Aus Vorsorgegründen, weil sie nicht sicher genug seien, und um die Wahlfreiheit zu erhalten.

Das sollen Crispr/Cas & Co. leisten

Mit den neuen Verfahren lassen sich gezielt einzelne Gene im Erbgut verändern. Das erlaubt tiefe Eingriffe in die Pflanze, die mit der alten Gentechnik nicht möglich waren. Molekularbiologen und Gentech-Konzerne schwärmen von Pflanzen, die resistent gegen Krankheiten wären und dadurch Pestizide einsparen würden. Andere Pflanzen könnten die durch den Klimawandel zunehmenden Dürren überstehen oder mehr gesunde Nährstoffe enthalten. Dabei seien die neuen Verfahren ebenso sicher wie die herkömmliche Züchtung, aber viel schneller, behaupten ihre Befürworter.

Das plant die EU-Kommission

Die EU-Kommission hat sich diese Argumente zu eigen gemacht und setzt auf die neue Gentechnik. Wie die Befürworter der Technik befürchtet sie, dass die Zulassungsverfahren zu lange dauern könnten und dass die Menschen als Gentechnik gekennzeichnete Produkte ablehnen würden. Deshalb will die Kommission diese Verfahren aus dem Gentechnikrecht herausnehmen.

Einen Fahrplan für das Vorhaben hat sie schon vorgestellt: Sie will im zweiten Quartal 2022 eine öffentliche Konsultation starten und im zweiten Quartal 2023 ihren Verordnungsvorschlag vorlegen. Dem müssten dann die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament zustimmen.

Warum die neuen Gentechniken Bio gefährden

Bioland-Präsident Jan Plagge sieht durch die Pläne der EU-Kommission die Bio-Landwirtschaft in Gefahr: „Bio-Bauern, -Hersteller und Händler von Bio-Lebensmitteln brauchen Kennzeichnung und Wahlfreiheit, um Verbraucherinnen und Verbrauchern weiterhin Lebensmittel ohne Gentechnik anbieten zu können.“ Denn wenn bei Gurken, Tomaten oder Äpfeln nicht mehr bekannt ist, ob jemand ihr Erbgut verändert hat, können solche Pflanzen auch in den Bio-Anbau gelangen. Zudem würden Verunreinigungen zunehmen und wären kaum nachzuweisen, da die nötigen Analyseverfahren fehlen. Kurz: Die Bio-Branche könnte ihr Versprechen, ohne Gentechnik zu wirtschaften, kaum noch einhalten.