Was können Landwirte tun?

Gentechnikfreie Fütterung lohnt sich

Nicht nur die Kennzeichnung
„Ohne Gentechnik“ spricht dafür

Dr. Peter Hamel

Mit der Einführung der Kennzeichnung „Ohne Gentechnik“ bietet sich ein echter Anreiz für Bauern, gentechnikfreies Futter zu nutzen. Aber es gibt auch andere gute Gründe.

In der Vergangenheit gab der Markt wenige Anreize für die Landwirte, gentechnikfrei zu füttern. Doch zunehmende Verbraucherängste über mögliche gesundheitliche Langzeitfolgen, gepaart mit ignorierten Ergebnissen der Risikoforschung seitens der Agro-Gentechnikfirmen und der Wissenschaft, lassen die stille Protestbewegung der Verbraucher immer spürbarer werden. Einen ganz neuen Anreiz bietet die Kennzeichnung „Ohne Gentechnik“. Sie ermöglicht den Verbrauchern endlich frei zu wählen zwischen Nahrungsmitteln mit oder solchen ohne Gentechnik. Was derzeit von den Handelsunternehmen zu hören ist, lässt erwarten, dass dieses Marktsegment stärker nachgefragt wird. Landwirtschaftliche Tierhalter sind gefordert, dieser Nachfrage ein solides Angebot gegenüberzustellen. Annähernd 90 Prozent der deutschen Landwirte standen bisher der Fütterung mit genmanipulierten Futtermitteln gleichgültig gegenüber. Der Agrar-Handel versucht unter anderem in Fachzeitschriften und persönlichen Gesprächen darzustellen, dass Futtermittel ohne gentechnisch veränderte (gv) Pflanzen nicht mehr zu bekommen sind. Dabei werden weltweit nur rund sechs Prozent der Ackerflächen mit gv-Pflanzen bestellt. Die Zahl der kritischen Landwirte wächst. Sie wollen jetzt aus verschieden Gründen gentechnikfrei füttern.

Der Markt

Da viele Gentechnikfrei-Initiativen intensiv aufklären, fällt immer mehr Landwirten auf, dass sie bei ihren Futterlieferungen oft genmanipuliertes Futter geliefert bekommen, obwohl sie nie danach gefragt haben. Erst durch die 2004 neu eingeführte europäische Kennzeichnungspflicht trat der Fakt zutage, dass schon im Verlauf der späten neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts massenhaft gentechnisch veränderte Futtermittel – vor allem Soja aus den USA und Argentinien – in europäische Futtertröge wanderten. Die Monopolbestrebungen des US-Konzerns Monsanto sind dabei unverkennbar; allein 90 Prozent aller weltweit angebauten gv-Pflanzen gehören Monsanto. Eine beispiellose Abhängigkeit der Landwirte und nachfolgend der Verarbeiter und der Verbraucher wird durch Monsanto angestrebt. Ziel scheint zu sein, dass jeder Bissen Nahrung, der weltweit aufgenommen wird, Lizenzgebühr für Monsanto einträgt. Andererseits zeigen Umfragen unter Verbrauchern deren Einstellung zu gentechnisch manipulierten Lebensmitteln: 75 Prozent von ihnen lehnen diese ab. Bei der Frage nach Lebensmitteln wie Fleisch, Milch und Eiern von Tieren, die gentechnisch manipuliertes Futter gefressen haben, lag die Ablehnung deutscher Verbraucher einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung vom Dezember 2006 zufolge bei etwa 85 Prozent.

Unzureichende Sicherheit

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die durchaus berechtigte Sorge vieler Menschen um die unzureichende Sicherheits- und Risikobewertung von genmanipulierter Sojabohne und Mais. Für die Roundup-Ready-Sojabohne, die vor allem in der Tierfütterung eingesetzt wird, aber in manchen Ländern (zum Beispiel in den USA und Japan) auch als Nahrungsmittel zugelassen ist, können nur zwei Studien gefunden werden, die den Ansprüchen an so genannte chronisch-toxikologische Tests in Bezug auf die Untersuchungsdauer der Fütterung von acht Monaten annähernd gerecht werden.(1) Gewebe-Untersuchungen weisen bei Mäusen eine Veränderung der Enzymaktivität in der Bauchspeicheldrüse sowie eine Veränderung der Form und Größe der Zellkerne in Leberzellen nach. Diese Effekte traten jedoch erst ab dem vierten Versuchsmonat (120 Tage) auf, was zeigt, wie wichtig es ist, die Versuchsdauer auszudehnen. Gleichzeitig verdeutlicht es die begrenzte Aussagekraft der derzeit üblichen Versuche, die im Höchstfall bis zu 90 Tage dauern. Auch das Bt-Toxin im gentechnisch veränderten Mais muss weiteren Tests unterzogen werden. Das ursprünglich aus dem im Boden lebenden Bakterium Bacillus thuringiensis stammende Insektengift wird nicht, wie aufgrund von Ergebnissen aus Labor-Studien geschlussfolgert worden war, in wenigen Sekunden bis Minuten im Magen abgebaut. In zwei so genannten In-vivo-Studien, eine mit Schweinen und eine mit Kühen durchgeführt, ließ sich das Gift sowohl im gesamten Darmbereich wie auch im Kot der Tiere nachweisen. Zudem ist das Bt-Toxin bei Mäusen in der Lage, sich an die Epithelzellen der Darmwand zu binden und eine Immunantwort auszulösen. Bisher haben Antragsteller das Risiko einer chronischen Erkrankung aufgrund der vermuteten kurzen Verweildauer des Bt-Toxins im Magen-Darm-Trakt ausgeschlossen. Diese Ansicht muss, auf Basis der neueren Erkenntnisse, nun völlig revidiert werden. Chronische Effekte durch Bt-Mais sind nicht von vornherein auszuschließen.(2)

Übertragung von transgener DNA

Mehrere Studien weisen DNA-Bruchstücke aus dem Futter in verschiedenen Organen von Schweinen, Hühnern und Kühen nach, aber auch im Blut und – von besonderer Bedeutung für das Immunsystem – in den Lymphgefäßen. Diese Befunde weisen darauf hin, dass der bisherige Fokus auf gesundheitliche Wirkungen durch Proteine in der Risikoabschätzung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) möglicherweise zu eng gefasst war. Zwischen DNA/RNA in der Nahrung und dem Immunsystem von Säugetieren besteht offenbar ein engerer Zusammenhang als bisher gedacht.

Landwirte gründen Einkaufsgemeinschaften

Die Marktlage angesichts der zunehmenden Konzentration von Agrochemie-Giganten und die unzureichende Sicherheitsbewertung bereiten immer mehr Landwirten Sorge. Sie werden aktiv und stellen ihre Fütterung auf gentechnikfrei um. Einzeln haben die Landwirte allerdings oft schlechte Karten, wenn es um die Bestellung von gentechnikfreiem Futter geht. Regelmäßig heißt es von Seiten des Handels: „Gibt es nicht“, „Ist viel zu teuer“, „Da musst du Bio-Futter kaufen“ oder „Kostet mindestens acht Euro mehr je 100 kg als anderes Mischfutter“. Doch es gibt die gentechnikfreien Futtermittel. Es müssen nur genügend Landwirte in einer Region gleichzeitig danach fragen. Wird eine „kritische Menge“ von einigen 100 Tonnen überschritten, kann schnell Bewegung in die Verhandlungen kommen. Eine größere Einkaufsgemeinschaft (ins Leben gerufen von der Initiative Zivilcourage Vogelsberg) aus dem Raum Ost- und Nordhessen bezieht zum Beispiel jährlich über 5.000 Tonnen gentechnikfreie Futtermittel. Dabei werden verstärkt heimische Getreide verfüttert. Regionaler Raps und aufgewertetes Rapsfutter (Raproplus) werden verwendet. Auch Milchleistungsfutter ist ganz ohne Soja zu bekommen. Beim Sojaschrot für die Schweinefütterung setzt die Einkaufsgemeinschaft auf gentechnikfreies Sojaschrot mit Produktzertifikat, das GVO-Freiheit bis 0,1 Prozent garantiert. Die gentechnikfreie Ware entspricht den so genannten „Basler Kriterien“, denen zufolge zum Beispiel keine Urwaldrodungen für den Anbau von Soja stattgefunden haben dürfen. Das Soja kommt meist aus Brasilien und wird dort im Vertragsanbau erzeugt. Die Landwirte der Einkaufsgemeinschaft haben bei dieser Art der Versorgung ein gutes Gefühl. Zwar ist die Ware pro 100 Kilogramm etwas teurer als gentechnisch verändertes Soja, aber unter dem Strich zeigt sich, dass die Landwirte, die den Gesamtbetriebsertrag berechnen, auf dem richtigen Weg sind. Dass ihr Gefühl sie dabei nicht täuscht, zeigen weitere Fakten.

„Substanzielle Äquivalenz“ ist definitiv falsch!

Futterberater gingen immer davon aus, dass gv-Soja und gentechnikfreie Soja gleich zu bewerten sind. So war es von den amerikanischen Befürwortern immer berichtet worden. Erste Zweifel kamen auf, als das Magazin Nature den Begriff „Substanzielle Äquivalenz“ pseudowissenschaftlich nannte. Die Doktrin der „substanziellen Äquivalenz“ sei in erster Linie als Rechtfertigung eingeführt worden, um keine biochemischen oder toxikologischen Prüfverfahren vorschreiben zu müssen. Obwohl Forscher dringend vor Gefahren der gentechnischen DNS-Rekombination und der daraus resultierenden Folgen gewarnt hatten, entschied sich die US-Regierung Anfang der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts für ein System der „freiwilligen Selbstkontrolle“ der Industrie.

Gensoja hätte nie zugelassen werden dürfen

Der japanische Gentechnikforscher Prof. Masaharu Kawata macht seine Kritik an Monsantos gentechnisch veränderter, gegen das Breitbandherbizid Roundup (Glyphosat) toleranter Roundup-Ready-Soja vor allem an drei Punkten fest: 1. Das neu in der Pflanze hergestellte Eiweiß ist nicht in der Pflanze selbst untersucht worden. Monsanto hat dieses Eiweiß von einem Bakterium im Labor nachbauen lassen, das ist billiger. Aus wissenschaftlicher Sicht aber muss die Pflanze selbst überprüft werden, denn das Protein in der Soja und das im Bakterium sind nicht zwangsweise identisch. Mit dieser Methode kann man Gesundheitsgefahren nicht ausschließen. 2. Monsanto hat nur einen Bruchteil des Eiweißes untersucht. Man hat nämlich von den 455 Aminosäuren, aus denen das Eiweiß besteht, nur die ersten 15 untersucht. Der Hersteller kann Allergiegefahren, ja sogar Giftigkeiten, nicht ausschließen. Professor Masaharu Kawata sagt hierzu: „Monsanto wollte wahrscheinlich mögliche Veränderungen und damit mögliche Gefahren verstecken“. 3. Die veränderte Proteinstruktur führt zu einer schlechteren Denaturierung und somit Verwertbarkeit! Soja muss getoastet beziehungsweise dampferhitzt oder gekocht werden, um es für den menschlichen oder tierischen Organismus verfügbar und genießbar zu machen – gegebenenfalls drohen Gesundheitsschäden. Aus Monsantos Zulassungsunterlagen geht hervor, dass Gensoja gekocht wurde. „Monsanto hat nun folgenden Standardtest durchgeführt, der auch als Standardverfahren des Toastens in den Ölmühlen praktiziert wird. Einmal kochen bei 100 Grad Celsius, zehn Minuten. Jetzt müssten die gesundheitsgefährdenden Eiweiße zerstört sein – waren sie aber nicht. Sie haben den Test wiederholt – noch mal 100 Grad, zehn Minuten. Das Eiweiß war immer noch nicht zerstört. Anschließend haben sie die Gensoja noch mal, diesmal 25 Minuten lang bei 220 Grad gekocht, das belegen die Unterlagen.“ Erst dann waren die Denaturierungen erreicht, sprich die Soja ausreichend verwertbar. Das Problem liegt auf der Hand – keine Ölmühle der Welt toastet Soja bei 220 Grad und das eine halbe Stunde lang.

Futterwerte von GVO-Soja erheblich niedriger?

Was aber bedeuten die Ergebnisse für den Landwirt? Die Eiweißverdaulichkeit und die biologische Wertigkeit des gv-Sojaschrotes sind deutlich niedriger. Die Verfügbarkeit von Lysin, Methionin und Cystein sind stark herabgesetzt. Die Verdaulichkeit im Fütterungsversuch mit Ratten liegt bei unbehandeltem (unzureichend erhitztem) Sojaschrot bei 61 Prozent. Ausreichend dampferhitzte Soja hat eine Verdaulichkeit von 74 Prozent. Das ist eine Reduktion um rund 20 Prozent. Die biologische Wertigkeit (62 zu 69) ist rund zehn Prozent schlechter. Die Werte der essentiellen Aminosäuren Lysin, Methionin und Cystein sind teilweise über 40 Prozent schlechter. GVO-Soja ist nicht ausreichend dampferhitzt. Hier sollte jeder Landwirt nachdenklich werden. Professor Kawata: „Gensoja hätte nicht zugelassen werden dürfen, denn wahrscheinlich hat die gentechnische Veränderung das Eiweiß stabiler gemacht, es wird einfach nicht zerstört. Dies zeigt der misslungene Kochtest. Dass Monsanto den Schluss zieht, Gensoja sei sicher, ist falsch, wahrscheinlich sogar kriminell.“ Daraus wird ersichtlich, dass sowohl die Verdaulichkeit als auch die biologische Wertigkeit von gv-Soja in Frage zu stellen sind. In fachkundigen Kreisen ist bekannt, dass heute in Deutschland eine sehr hohe Zahl Soja-Lieferungen an Landwirte aus so genannten „Sicherheitsgründen“ fälschlich als GVO gekennzeichnet wird. Hinzu kommt das Phänomen, dass durch bewusste oder unbewusste Verschleppung sehr viel Soja am Markt gehandelt wird, das einen GVO-Anteil von nur zwei bis zehn Prozent hat.

Jüngste Erfahrungsberichte von Landwirten

Aus dem Kreis Steinfurt berichtet Heiner Lohmann: „Für mich als Milchviehhalter haben sich Symptome der Blauzungenerkrankung in meiner Rinder-Herde – bei vielen Tieren blieb eine Brunst aus, Leistungsdepressionen und stumpfes Fell, Ausfälle kurz nach dem Kalben – nach erstmaligen Füttern von GVO-freiem Kraftfutter fast völlig eingestellt.” Von einem Berufskollegen aus Niedersachsen habe ich erfahren, dass die Milchzellgehalte direkt nach erster Fütterung von GVO-freiem Zukauffutter um 100 Zellen gefallen sind. Wenn man US-amerikanische Erfahrungen (schlechtere Futteraufnahme, schlechtere Reproduktion, Sterilität der Tiere) hinzuzieht, ist anzunehmen, dass den Landwirten diesbezüglich noch lange nicht die ganze Wahrheit über gentechnisch veränderte Futtermittel erzählt wurde. Aus diesen Praktiker-Erfahrungen lässt sich schließen, dass ein deutlicher Einfluss auf das Immunsystem der Tiere anzunehmen ist. Weitere statistisch abgesicherte und wissenschaftlich begleitete Studien sind erforderlich, um diesen Einfluss zu belegen. Gentechnikfreie Fütterung ist oberflächlich betrachtet teurer als Fütterung mit gentechnisch veränderten Pflanzen. Betrachtet man den Einfluss der Verdaulichkeit, der Schwächung des Immunsystems, die möglichen Folgeerkrankungen und den deutlich schlechteren Vermarktungswert, erscheint plötzlich gentechnikfreie Fütterung deutlich günstiger als GVO-Fütterung. Denn gerade bei der Soja werden durch höhere Eiweißgehalte bei der gentechnikfreien Variante gegenüber Normalschrot rund 15 Prozent weniger Futter gebraucht, um auf die gleiche Eiweißversorgung zu kommen. GVO macht die Eiweißstrukturen stabiler und dadurch erheblich schlechter verdaulich. Mit herkömmlichen Aufschlussverfahren (Toasten) wird das Eiweiß nur völlig unzureichend aufgeschlossen. Dadurch kann die Verdaulichkeit von GVO-Soja bis zu 20 Prozent niedriger sein, ganz zu schweigen von den gesundheitlichen Risiken für Mensch und Tier, die noch nicht einmal anfänglich untersucht sind. Völlig außer Acht gelassen von den Agro-Konzernen wurde die Gefahr des horizontalen Gentransfers. Über Bakterien werden transgene DNA-Bruchstücke aus der Nahrung in den Wirtsorganismus von Tier oder Mensch eingebaut. Und dann erscheinen plötzlich die erheblich schlechteren Vermarktungs-Chancen von GVO-Lebensmitteln. Also bleiben wir auf der sicheren Seite, füttern wir gentechnikfrei. Denn: Gentechnikfreie Fütterung lohnt sich!

  1. Malatesta, M. et al. (2002). Ultrastructural morphometrical and immunocytochemichal analyses of hepatocyte nuclei from mice fed on genetically modified soybean. Cell Struct Function, Band 27, Seiten 173 – 180.
  2. Chowdhury, E.H. et al. (2003). Detection of corn intrinsic and recombinant DNA fragments and Cry1Ab protein in the gastrointestinal contents of pigs fed genetically modified corn Bt11. Journal of Animal Science, Band 81, Seiten 2546-2551. Quellen: Kurt Nehring: Lehrbuch der Tierernährung und Futtermittelkunde. „Die Genverschwörung“, ein Film von Manfred Ladwig, 45 Minuten, 2006.

Dr. Peter Hamel ist Landwirt und Mitbegründer der Initiative „Zivilcourage Vogelsberg“ (Hessen) und kooperiert regelmaßig mit der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft.